Spielebewertungen
Das deutsche Schulsystem hat versagt. Und ich beschränke mich hierbei vorerst nur auf das deutsche Schulsystem, da sich im grauen Einheitsbrei schlechter englischer Grammatikkenntnisse kaum herauslesen lässt, in welchem Land der Verfasser seines geistigen Unrats die Schulbildung verschlafen hat.
Hass? Verbitterung? Ja, vielleicht. Vielleicht sind dies Gründe für meine tendenzielle Aversion gegen Äußerungen, die ein Großteil von Gamern bei der Bewertung von Games von sich geben. Aber ich lade euch ein auf eine Reise, an dessen Ende die Erkenntnis und die unausweichliche Verbitterung steht, denn was es auf dieser Reise zu bestaunen gibt, reicht von selbstgerechtem Abschaum bis zu geistlosem Schwarmverhalten und lässt die Frage aufkommen, wie es der Mensch vollbracht hat, die dominante Spezies auf diesem Planeten zu werden.
Zugegeben, die Emotionen in den vorigen Abschnitten könnte man als geringfügig überzogen betrachten. Sicherlich zurecht, denn es gibt kein Problem, mit dem man sich nicht objektiv und kultiviert auseinander setzen kann. Doch macht es gleich viel weniger Spaß, sich über Missstände in einer beliebigen Lebenssituation zu echauffieren, wenn dies nicht mit leidenschaftlichem Pathos geschieht, in den man sich mit Anlauf hineinwerfen kann.
Und damit ist auch bereits die magische Überleitung zum eigentlichen Thema geschaffen. Denn genau diese verallgemeinernde und undifferenzierte Betrachtung der Umstände hat in der Gamergemeinde Einzug gehalten. Streng genommen nicht nur dort, da das folgende Phänomen global und in jeder Gesellschaftsgruppe zu beobachten ist, aber diese interessieren hier vorerst nicht.
Wer kennt es nicht?
Äußerungen wie „Das Spiel ist Müll“ sind leider mehr als oft zu lesende polemische Äußerungen von Personen, deren Spielerlebnis von diversen Aspekten, die zu benennen sie jedoch entweder nicht in der Lage oder schlichtweg zu faul sind, getrübt wurde. Die Bewertungsindustrie hilft hierbei nicht weiter, da die Reduktion eines Titels auf eine Zahl zwischen Null und einhundert allgemeiner Konsens geworden ist.
Das Problem sind hier gleichermaßen Konsumenten wie die Presse an sich, denn wenn eines überall zutrifft, dann ist es das Prinzip von Angebot und Nachfrage: Was verlangt wird, wird geliefert. Aber der Reihe nach.
Wenn ich mir Reviews anschaue oder durchlese und die dazugehörigen Kommentare betrachte, beschleicht mich eine gewisse emotionale Ambivalenz. Soll ich mich über die Unfähigkeit realistischer Auseinandersetzung mit einem Unterhaltungsprodukt aufregen oder doch lieber trauern? Mit Absicht verzichte ich übrigens auf das Wort „objektiv“, da genau das nicht der Weg ist.
Fakt ist, ein Spiel ist nichts weiter als die Summe seiner Aspekte. Allerdings ist dies kein mathematischer Vorgang, wie drei plus vier gleich sieben. Eine Sieben ist eine Zahl, ein absoluter Wert an dem sich nicht rütteln lässt.
Aber geht das auch bei Spielen?
Kurz gesagt: Nein. Ein fertiges Spiel, so denn heutzutage überhaupt noch Spiele erscheinen, die sich wirklich als fertig bezeichnen lassen, kann Spieler auf verschiedene Arten unterhalten und ihnen Spaß bereiten. Leider scheint dies noch nicht bei den Spielern angekommen zu sein.
Beispiele gibt es hierbei genug, ich persönlich habe im Kontext dieser Thematik immer Dragon Age 2 und Dark Souls 2 im Kopf.
Nachfolger eines Erfolgstitels haben prinzipiell immer große Erwartungen zu erfüllen, die es nahezu unmöglich machen, ohne Kritik angenommen zu werden: Ist es dem Vorgänger zu ähnlich, fehlt die Innovation, schlägt es neue Wege ein, fehlt die Charakteristik des Vorgängers.
Die Souls-Titel gehören zu meinen persönlichen Lieblingsspielen, weshalb der undifferenzierte Umgang bei der Bewertung von Dark Souls 2 mich nicht selten ärgert. Es gibt einige Kritikpunkte, welche sich der Nachfolger von Dark Souls gefallen lassen muss, wie beispielsweise das Vorhandensein zu vieler menschlicher Gegner und teilweise unlogischem Leveldesign. Macht das Dark Souls 2 aber zu einem schlechten Spiel? Nein, genau so wenig wie das unausgearbeitete Covenant-System des ersten Teils diesen zu einem schlechten Spiel macht. Aber das erwähnt in diesem Zusammenhang natürlich keiner, da dies der eigenen, nennen wir es mal wohlwollend „Argumentationskette“, im Weg steht.
Viele Spieler verfallen beim Anblick solcher Kritikpunkte gerne in einen Nostalgiemodus, in dem alles, was sie gewohnt sind, wie der Pantheon der Videospiele wirkt, ohne zu berücksichtigen, das ein Spiel dennoch Spaß machen kann.
„Ein Spiel ist nichts weiter als die Summe seiner Aspekte“
Im Falle von Dragon Age 2 fällt nach einiger Zeit das sich wiederholende Leveldesign auf, zweifellos ein Punkt, der lästig ist. Dennoch habe ich persönlich auch immer versucht, die guten Aspekte eines Spiels zu sehen, ehe ich es in eine Ecke dränge: Der Erzählstil von Dragon Age 2 zeigt die Entwicklung einer Stadt und der darin befindlichen Menschen, über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg, abhängig von den getroffenen Entscheidungen. Das Kampfsystem wurde im Bereich der taktischen Vielfalt etwas abgespeckt, dafür erscheint es allerdings auch wesentlich dynamischer.
In beiden Fällen drängt sich mir beim Lesen mancher User-Bewertungen der Eindruck auf, dass man Angst hat, die positiven Aspekte des Spiels anzuerkennen, da man sich so gefühlt vom Vorgänger distanziert. Was natürlich Schwachsinn ist, denn auch wenn ich Kaiserschmarrn wesentlich lieber esse als Windbeutel, verschmähe ich Zweiteres dennoch nicht.
Es gibt wenige Spiele, die sich wirklich in eine Kategorie wie „super“ oder „scheiße“ einordnen lassen, auch wenn Spielerreaktionen sehr oft nach dem Maßstab des eigenen Spielvergnügens getroffen werden. Dies ist zwar nach wie vor der Mittelpunkt des Zockens, aber als Maßstab zur Bewertung nur bedingt geeignet, da jeder Spieler andere Präferenzen und Leidenschaften hat. (Ich werde beispielsweise niemals verstehen können wie man Sportspiele spielen kann – aber hey, solange jemand beim Zocken Spaß empfindet werde ich mir nicht anmaßen ein Fifa als scheiße zu bezeichnen. Naja, im Bezug auf die jährliche Erscheinung eines neuen Ablegers zum Vollpreis mit oftmals nur minimalen Neuerungen schon, da so etwas einfach dreiste Abzocke der Entwicklerindustrie ist, das Spielprinzip selbst ist jedoch schlicht und ergreifend Geschmackssache.)
Das Problem im Umgang mit Spielen liegt leider, wie in so vielen Bereichen des Lebens, in der mangelnden Aufklärung über den richtigen Umgang mit anderen Meinungen und den Medien, welche in der Lage sind, eine Meinung zu verbreiten.
Auch gegenteilige Fälle gibt es
Im Falle von Destiny wurde über Monate hinweg ein Werbefeuerwerk abgefackelt, das den Hype auf dieses Spiel geschürt hat. Das Ergebnis ist ein Spiel, welches zwar ein sehr gutes Gameplay aufweist, aufgrund sich ständig wiederholenden Missionsdesigns, miserabler Itemdrops und nicht vorhandener Story (welche, wie sich gezeigt hat, sogar vor dem Release noch aus dem Spiel gestrichen wurde!), leider kaum überzeugen kann, da die wenigen positiven Aspekte von den negativen schlichtweg überwältigt werden.
Auch wenn es viele Spieler gibt, die an Destiny ihren Spaß haben, und das will ich ihnen auch nicht ausreden, beweist dieses Beispiel, dass exzessives Marketing in der Lage ist, mangelnde Qualität aufzuwiegen. Die hier zugrunde liegende psychologische Ursache ist die Unwilligkeit vieler Spieler, einzusehen, von Werbung geblendet und ausgetrickst worden zu sein – immerhin sind Spiele nicht günstig. Sich das Spiel schön zu reden und die negativen Aspekte zu verleugnen ist einfacher, als sich realistisch mit der Thematik auseinander zu setzen. Außerdem schüchtern massive Marketingoffensiven ein und reduzieren die Bereitschaft zur Kritik. Immerhin führen diese oft zu großem Absatz, und einem erfolgreichen Spiel kritisch gegenüber zu stehen ist dem medial beeinflussten Ottonormalgamer nur selten möglich.
Statt „Faust“ und „Die Räuber“ in den Deutschkursen unserer Schulen in die Köpfe desinteressierter Schüler zu prügeln, welche von diesem Wissen in ihrem Leben niemals profitieren werden (und das sage ich, jemand, dessen Lieblingsfach Deutsch war) sollte man Schülern zwei Dinge beibringen: Zunächst einmal das Bilden logischer Argumentationsstrukturen in Konfliktsituationen, um seine eigene Meinung nicht nur erklären, sondern auch bilden zu können, ohne sich in kompletter Ignoranz zu ergehen, und zum anderen kritisch mit Medien umzugehen, statt entweder alles blind zu schlucken oder abzulehnen.
Denn die Berichterstattung ist letztendlich ein Beruf und keine Berufung: Was verlangt wird, wird geliefert. Und wenn die Menschen die Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung verlieren, werden die Medien darauf reagieren, indem sie den Menschen das liefern was verlangt wird, denn genau das bedeutet Profit. Es mag zwar einfach sein über „die Medien“ herzuziehen, aber wie überall im Leben ist die Wahrheit komplizierter, und die Schuld einer Partei allein zuordnen zu wollen ist nichts weiter als das Bemühen, die eigene Ignoranz zu rechtfertigen. Die Verantwortung liegt also letztendlich auch bei uns.
Schlussendlich bleibt nach diesem Apell an die menschliche Vernunft nur zu sagen: Jeder soll spielen was er will und was ihm Spaß bereitet. Kein Spiel kann wirklich schlecht sein, wenn man es gerne spielt, egal was andere davon halten. Niemand ist gezwungen, sich auf die positiven Aspekte eines Spiels zu konzentrieren, aber das Bewusstsein, dass es diese haben könnte, und somit in der Lage zu sein, andere Geschmäcker als den eigenen anzuerkennen, würde einigen Menschen nicht schaden.